Betriebsnachfolge und BetriebsübernahmeWenn die Betriebsnachfolge zum Glücksfall wird
Das Glück ist mit den Tüchtigen. Dieses alte Sprichwort trifft auf alle Akteure zu, die an der Betriebsübergabe von Reimund Geigers "Schärfdienst Geiger" unmittelbar beteiligt waren. Denn beinahe wäre das Neumarkter Traditionsunternehmen still und leise geschlossen worden. "Das hätte mir und auch meinen Kunden sehr weh getan", sagt der bisherige Betriebsinhaber Reimund Geiger. "Aber wenn ich bis zum 31. Dezember 2024 keinen geeigneten Nachfolger gefunden hätte, hätte ich zugesperrt." Der heute 64-Jährige wollte eigentlich schon mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen. Doch es sollte anders kommen.
Jahrelange Suche
"Herr Geiger hat sich schon im Jahr 2019 wegen eines Nachfolgers an mich gewandt", erinnert sich HWK-Betriebsberater Mario Göhring. Göhring ist gleichzeitig stellvertretender Abteilungsleiter der Betriebswirtschaftlichen Beratung und am Standort in Neumarkt in der Oberpfalz bestens vernetzt. "Wie sehr viele Handwerker, die ihren Betrieb in familienfremde Hände übergeben wollen, hat der Unternehmer sich die Sache allerdings nicht so langwierig vorgestellt." Mario Göhring weiß, wovon er spricht. Allein im vergangenen Jahr hat er rund 50 Handwerker zum Thema Betriebsnachfolge beraten. Göhring sagt: "Es ist keine Seltenheit, dass oft erst nach jahrelanger Suche ein geeigneter Nachfolger gefunden werden kann." Grund sei unter anderem die ausgesprochen gute Situation am Arbeitsmarkt. "Da erscheint für manche Menschen die Selbstständigkeit nicht mehr so attraktiv." Im Fall von Raimund Geiger hat sich Göhring einiges einfallen lassen. Der Betrieb war auf einschlägigen Portalen wie der Betriebsbörse der bayerischen Handwerkskammern gelistet, es wurden Unternehmensbewertungen geschrieben und Sondierungsgespräche mit Interessenten geführt. "Manche waren aber nur am Maschinenpark oder der Übernahme des Kundenstamms interessiert", so Göhring. Und das wiederum kam für Reimund Geiger nicht infrage: "Ich wollte immer, dass mein Betrieb fortbesteht, denn das bin ich auch meinen vielen Stammkunden schuldig."
Businesspläne und langer Atem
Letztendlich fand Geiger auch dank eines glücklichen Zufalls seinen "Traumnachfolger", den 36-jährigen Philipp Bauer. Dessen Freundin brachte kurz vor Weihnachten 2022 ein paar Messer zum Schleifen in Geigers Werkstatt. "Wir kamen ins reden und sie erzählte mir, dass ihr Freund sich gerne selbstständig machen würde", erinnert sich der Werkzeugschleifer. Man lernte sich kennen und Philipp Bauer, ein gebürtiger Neumarkter, arbeitete erst mal 14 Tage zur Probe mit. "Das Schleifen hat mir wirklich gut gefallen", erzählt er. "Allerdings hatte ich schon ziemlichen Bammel vor den großen CNC-Schleifmaschinen. Ich dachte wirklich, das kriege ich nie in meinen Kopf rein." Dank der guten Einarbeitung von Reimund Geiger klappt auch das Schleifen großer Sägeblätter inzwischen wie geschmiert, so viel sei vorweggenommen. Doch bis es letztendlich zur Betriebsübergabe kam, zogen noch einmal gut eineinhalb Jahre ins Land. Und dass, obwohl Betriebsberater Mario Göhring beiden Parteien auch diesmal zur Seite stand. Vor allem die Banken, sagt Philipp Bauer, hätten für ihre Prüfungen relativ lange gebraucht. Mario Göhring schrieb erneut Businesspläne und erledigte die Unternehmensbewertung. Reimund Geiger habe immer in seinen Maschinenpark investiert, das sei für die erfolgreiche Übernahme seines Betriebs sehr von Vorteil gewesen, sagt er. Die beiden teuersten CNC-Schleifmaschinen zum Beispiel kosteten 70.000 beziehungsweise 95.000 Euro. "Zwischen den beiden Geschäftspartnern lief alles sehr unproblematisch ab und beide Handwerker haben wirklich einen langen Atem bewiesen", lobt Göhring. Ein Vorteil für ihn als Berater der Handwerkskammer sei es, dass er beide Parteien unterstützen kann, denn: "Ich habe keinen Interessenskonflikt. Wir von der Handwerkskammer möchten, dass das Handwerk fortbesteht, wir verfolgen hier keine wirtschaftlichen Interessen."
Gemeinsam in der Werkstatt
Von Anfang Juni bis Ende September 2024 arbeitete Philipp Bauer noch als Angestellter beim "Schärfdienst Geiger". Seit dem 1. Oktober ist der 36-Jährige nun Betriebsinhaber und Reimund Geiger arbeitet noch ein bis zweimal pro Woche in seinem ehemaligen Unternehmen mit. Außerdem steht er seinem Nachfolger jederzeit für Fragen zur Verfügung. Die beiden verstehen sich gut, das merkt man. Noch mindestens bis Jahresende will Geiger im Betrieb präsent sein. "Danach sehen wir weiter", sagt er und man merkt ihm die Erleichterung darüber an, dass der Generationenwechsel so gut geklappt hat. "Das freut nicht nur mich, sondern ganz viele Kunden aus der Region und auch aus ganz Deutschland." Arbeit ist genügend da. Vor allem, seit Geiger auf seiner Homepage einen Online-Schleifdienst anbietet. Seitdem schicken auch Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Werkzeuge zum Schärfen in die Oberpfalz. Geiger freut das natürlich: "Das Wort Krise kenne ich gar nicht. Mein Betrieb ist immer gut gelaufen." 1988 hat er seinen Schleifdienst gegründet. Seine beiden Söhne wollten nicht in seine Fußstapfen treten. Philipp Bauer sagt, er habe schon immer sein eigener Chef sein wollen. Auch wenn das inzwischen für ihn bedeutet, weit mehr und länger zu arbeiten als früher als Angestellter. Ob er den Betrieb umbenennt? Bauer schüttelt energisch den Kopf. "Auf keinen Fall. Die Firma ist unter dem Namen Geiger und unter Reimund groß geworden und darum bleibt der alte Name bestehen." Reimund Geiger lächelt. Das Telefon klingelt, ein neuer Kunde bringt Messer aus einer Großküche zum Schärfen vorbei. Die beiden Männer machen sich wieder an die Arbeit. Das Glück ist mit den Tüchtigen.
Deutsche Handwerks Zeitung
Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 22. November 2024.
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