Im Gespräch "Kluge Steuerpolitik fördert das Wachstum"
"Eine umfassende Steuerreform darf trotz der aktuellen Belastungen nicht aus den Augen verloren werden."
Jürgen Kilger, Hauptgeschäftsführer
Herr Kilger, Sie haben sich beim ZDH-Steuerforum Ende letzten Jahres unter anderem zusammen mit Bundesfinanzminister Christian Lindner Gedanken über eine mittelstandsfreundliche Steuerpolitik gemacht. Welche Themenschwerpunkte gab es?
Zentrales Thema war die Unterstützung der Leistungsträger unserer Gesellschaft, insbesondere des handwerklichen Mittelstandes durch eine zielorientierte Finanz- und Steuerpolitik. Schwerpunktthemen waren dabei neben dem Abbau der kalten Progression, der insbesondere auch den Arbeitnehmern in unseren Handwerksbetrieben zugutekommt, eine Verbesserung der Thesaurierungsbesteuerung, also der steuerlichen Besserstellung von einbehaltenen Gewinnen in der Einkommensteuer. Das Handwerk spricht sich ganz klar gegen Steuererhöhungen und neue Steuern aus. Daneben wurde über den dringend notwendigen Abbau von Bürokratie diskutiert. Für einen Neustart nach der Krise muss auch das Steuerrecht Wachstumsimpulse setzen. Das versprochene Belastungsmoratorium muss daher auch in der Steuerpolitik uneingeschränkt gelten. Hierzu haben wir über die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen und die Einführung der sogenannten Super-Afa für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung gesprochen. Eine umfassende Steuerreform darf aber trotz aller aktuellen Belastungen nicht aus den Augen verloren werden.
Mit welcher Steuerpolitik könnte der Wirtschaftsstandort Deutschland in der Krise stabilisiert werden?
Das Handwerk braucht ein unternehmens- und mittelstandsfreundliches Steuerrecht mit Verzicht auf zusätzliche Substanzsteuern. Dazu gehören der konsequente Abbau der kalten Progression genauso wie international konkurrenzfähige Steuersätze – bei der Einkommenssteuer genauso wie bei der Strom- und Energiesteuer. Die Energiesteuersätze und die perspektivisch weiter steigende CO2-Abgabe sollten vor dem Hintergrund der explodierenden Energiepreise kritisch überdacht werden. Gerade in der Krise dürfen Unternehmen nicht zusätzlich belastet werden. Ferner wäre es wünschenswert, den Verlustrücktrag zeitlich nochmals auszudehnen, zum Beispiel auf fünf Jahre. Das würde den Unternehmen schnell und unbürokratisch Liquidität verschaffen. Das von der Bundesregierung verkündete Belastungsmoratorium muss auch im Steuerrecht gelten. Wie Bürokratieabbau und steuerliche Entlastung gleichzeitig erreicht werden kann, zeigt sich bei den Grenzwerten für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG). Eine Erhöhung der GWG-Grenze von derzeit 800 Euro auf mindestens 1.000 Euro bei gleichzeitiger Abschaffung der sogenannten Pool-Abschreibung, die ganz aktuell auch der Bundesrat fordert, würde den Betrieben Liquidität verschaffen und sie gleichzeitig von Bürokratie entlasten. Denn Anschaffungen bis zur GWG-Grenze müssen nicht in sogenannte Anlagenverzeichnisse aufgenommen und über ihre Nutzungsdauer hinweg dokumentiert werden. Die regelmäßige Anpassung der Einkommensteuer an die Inflation ist zwingend (Abbau der kalten Progression). Im Handwerk ist das doppelt wichtig: Für unsere Beschäftigten und für die Betriebsinhaber selbst. Denn im Handwerk sind über 80 Prozent der Betriebe Einzelunternehmen und Personengesellschaften – und damit ist die Einkommensteuer im Ergebnis auch die Unternehmenssteuer. Aber nicht nur der Tarif muss angepasst werden: Auch Freibeträge müssen regelmäßig an die Geldentwertung angepasst werden. Auch in der Erbschaftsteuer. Wichtig ist ebenso, dass alle einen leistungsgerechten Beitrag zur Staatsfinanzierung erbringen: Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden; ein "Verschieben" von Gewinnen ins Ausland darf es nicht geben. Hier ist die auf internationaler Ebene beschlossene Mindestbesteuerung ein wichtiger Schritt.
Wäre eine dauerhafte Senkung der Stromsteuer ein sinnvolles Instrument?
Das Handwerk fordert eine Senkung der Energiesteuern auf das europäische Mindestmaß seit langem. Das wäre eine schnelle, bürokratiearme und einfache Entlastung. Bei den stark gestiegenen Energiekosten ist auch nicht zu befürchten, dass das Ziel der Energieeinsparung verfehlt wird. Die Marktpreise haben einen ausreichenden Lenkungseffekt.
Christian Lindner hat Steuererhöhungen ausgeschlossen. Doch wie sollen die steigenden Staatsausgaben finanziert werden?
Wir haben nach der Finanzkrise gesehen, dass die Staatseinnahmen wachsen und der Schuldenabbau gelingt, wenn man durch kluge Steuer- und Wirtschaftspolitik das Wirtschaftswachstum fördert. Langfristig werden wir nur dann sprudelnde Steuereinnahmen haben, wenn wir als Wirtschaftsstandort attraktiv sind und Unternehmen Gewinne erzielen und Arbeitsplätze schaffen. Hohe Steuern – oder gar neue Substanzsteuern – wären Gift und würden das Wachstum bremsen. Und hier wäre es insbesondere notwendig, Impulse für ein grünes Wachstum zu setzen.
Im Jahr 2023 steht das Handwerk vor großen Herausforderungen. Wie sieht in diesem Zusammenhang eine faire Steuerpolitik gerade für kleine und mittlere Handwerksbetriebe aus?
Zunächst darf es keinesfalls zu Steuererhöhungen kommen. Aber auch die stetig steigenden bürokratischen Lasten müssen abgebaut werden – hier muss mehr Digitalisierung das Steuerrecht vereinfachen. Neben den bereits oben skizzierten Verbesserungen im Steuerrecht muss uns vor allem gelingen, dass wir für etablierte Betriebe einen Nachfolger finden. Dabei unterstützen die Kammern durch vielfältige Programme. Aber das Steuerrecht darf dem keine Steine in den Weg legen. Daher ist es wichtig, den jetzt gewählten Ansatz im Erbschaftsteuerrecht beizubehalten und die vom Bundesverfassungsgericht akzeptierte Verschonung des Betriebsvermögens nicht in Frage zu stellen. Eine stärkere Belastung von Erben darf es nicht geben. Hierzu gehört auch die Anhebung der Freibeträge in der Erbschaftsteuer.
Generell: Halten Sie mittel- und langfristig eine mittelstandfreundliche Besteuerung für sinnvoller, als immer neue staatliche Hilfspakete und Zuschüsse?
Kurzfristig sind die Hilfsprogramme alternativlos. Sonst droht der Kahlschlag im Mittelstand. Aber mittel- und langfristig müssen Subventionen abgebaut werden. Auf Dauer ist das nicht finanzierbar. Und das Steuerrecht muss investitionsfreundlich ausgestaltet werden, so dass auch KMU die Anpassung an den Klimawandel und die Digitalisierung finanzieren können.