Bei dem Besuch einer kirgisischen Schule kam der HWK-Präsident auch mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch.
Isabella Bauer
Bei dem Besuch einer kirgisischen Schule kam der HWK-Präsident auch mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch.

PilotprojektKirgisische Fachkräfte im Fokus

Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel ist und bleibt eine der größten Herausforderungen, denen das Handwerk jetzt und in Zukunft gegenübersteht. "Wir schauen nicht ohne Sorge auf die nächsten Jahre, gleichzeitig versuchen wir im Handwerk praktische Lösungen zu finden, um hier entgegenzusteuern", so HWK-Präsident Dr. Georg Haber. Gut 6.000 Kilometer östlich von Ostbayern entfernt, steht man anderen Hürden gegenüber. Der zentralasiatische Staat Kirgistan kämpft gegen eine hohe Arbeitslosenquote. Zwar wächst das Arbeitskräfteangebot, allerdings bietet die kirgisische Wirtschaft bislang nicht genügend Arbeitsplätze für alle. Auch die Zahl junger Menschen, die keine Ausbildung absolvieren steigt an - eine Situation, die durch die Corona-Pandemie weiter verschärft worden ist. Schätzungen zufolge arbeiten bis zu 17 Prozent der Bevölkerung im Ausland, einige von ihnen in Deutschland. Denn auch hierzulande hat man es sich im Rahmen unterschiedlicher Projekte zum Ziel gesetzt, kirgisischen Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt Perspektiven zu geben.

Kooperation lindert Fachkräftebedarf

Erst im Sommer begleitete Haber eine viertägige Delegation aus Wirtschafts- und Politikvertretern, aus der Arbeitsverwaltung und Schulen, in die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Im vergangenen Jahr hat der Landkreis Cham ein Pilotprojekt gestartet innerhalb dessen kirgisische Jugendliche eine Ausbildung im Landkreis Cham begonnen haben. In diesem Jahr sollen rund 40 Auszubildende folgen - auch im Handwerk. Bei mehreren Gesprächen mit der kirgisischen Wirtschaftskammer, dem Arbeits-, Wirtschafts- und Bildungsministeriums stand das Projekt im Fokus, aber auch wie die Kooperation weiter ausgebaut werden kann. "Es ist ganz klar, dass wir hier in Ostbayern einen funktionierenden Arbeitsmarkt brauchen, wenn wir die Leistungs- und Innovationsfähigkeit unserer regionalen Wirtschaft erhalten wollen", meint Haber. Die Ausbildungskooperation mit Kirgistan berge dabei ein ungeheures Potenzial, von der beide Seiten nachhaltig profitieren. Auch deshalb hat die Handwerkskammer ein eigenes Projekt geplant, um kirgisische Jugendlichen Ausbildungsplätze in ostbayerischen Handwerksbetrieben zu vermitteln. "Wir führen hierzu aktuell zielgerichtete Gespräche mit den relevanten Akteuren vor Ort, aber auch mit den Innungen und Kreishandwerkerschaften." Zunächst sei nur eine regionale Umsetzung geplant, wenn sich diese bewährt, wolle man die Kooperation ostbayernweit ausbauen. Schon jetzt sei man sehr zuversichtlich. Können also kirgisische Auszubildende den Nachwuchs- und Fachkräftemangel im ostbayerischen Handwerk lösen? "Nein", meint Dr. Haber. Das Fachkräfteproblem sei multikausal und vielschichtig. "Wir müssen unterschiedliche Strategien verfolgen und ganz genau hinschauen, an welchen Schrauben gedreht werden kann." Zumindest aber könne die Kooperation mit Kirgistan den akuten Bedarf lindern.

Integration durch Kümmerer

Der Erfolg des Pilotprojekts sei dabei insbesondere von einer Schnittstelle abhängig. Es würden Kümmerer benötigt, so Dr. Haber, Menschen, die gut vernetzt sind, die Herausforderungen kennen und sich intensiv mit den Jugendlichen und den Betrieben auseinandersetzen. "Das Ganze ist auch ein Integrationsprojekt. Und Integration funktioniert nur, wenn die Menschen, die zu uns kommen auch persönlich Fuß fassen, wenn sie Kontakte knüpfen, eine gute Wohnung finden und wirklich ankommen." Hilfreich sei dabei insbesondere, dass viele der kirgisischen Jugendlichen bereits über gute Deutschkenntnisse verfügen. Die Sprache wird in zahlreichen Schulen bereits ab der ersten Klasse als Hauptfach unterrichtet. Ganz grundsätzlich zeigte sich Haber von den Gesprächen mit den Jugendlichen vor Ort begeistert. "Das sind junge und wissbegierige Menschen, die wirklich Lust auf Deutschland haben." Zudem sei ein Großteil von ihnen äußerst technikaffin und in Sachen neue Medien und Digitalisierung gut aufgestellt. "Die Jugendlichen mit denen wir gesprochen haben, sehen hier die Zukunft und das sind optimale Voraussetzungen sowohl für deutsche Betriebe, als auch für die Auszubildenen", so Haber.

 Deutsche Handwerks Zeitung

Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 13. September 2024.



 Passend zum Thema

Wege ins Handwerk