AusbildungsakquiseIntegration durch Ausbildung
Seit Jahren sind junge Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, darunter zahlreiche Geflüchtete, eine feste Größe in der Ausbildungsstatistik. Auch in Ostbayern: "Von den insgesamt 13.062 Auszubildenden, die bis zum 31. Dezember 2023 bei der Handwerkskammer registriert waren, haben 1.686 eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Bei einem nicht unwesentlichen Teil dieser Auszubildenden kann aufgrund ihres Herkunftslandes von einem Fluchthintergrund ausgegangen werden", so Olga Nägler. Seit einem Jahr ist Nägler als Ausbildungsakquisiteurin für junge Geflüchtete bei der Handwerkskammer angestellt und berät in dieser Funktion Betriebe, die jungen Geflüchteten eine Ausbildung anbieten möchten, beziehungsweise junge Geflüchtete, die nach einer Lehrstelle suchen. Bereits seit 2016 ist die Ausbildungsakquise als Projekt, vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gefördert, bei der Handwerkskammer angesiedelt und hat zahlreichen jungen Geflüchteten eine Ausbildung in einem ostbayerischen Handwerksbetrieb vermittelt. Auch danach werden sowohl Betrieb, als auch Auszubildende im Rahmen des Projekts bei allen Fragen und Unsicherheiten unterstützt.
Ständig in Kontakt
Einer von ihnen ist Abdullah Al Jalam. Vor dreieinhalb Jahren ist der 23-Jährige mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland geflohen und in Parsberg im Landkreis Neumarkt angekommen. Der Start sei nicht einfach gewesen, erinnert sich Abdullah. Besonders die Sprache zu lernen sei herausfordernd gewesen. Im Rahmen einer Integrationsklasse erhält er Deutsch-Unterricht, während der Corona-Pandemie findet dieser aber nur online statt. "Ich habe aber auch viel über YouTube gelernt", so Abdullah. Bei einem Vortrag in der Berufsschule lernt er Olga Nägler kennen. "Sie hat uns in der Integrationsklasse besucht und uns vorgestellt, welche Möglichkeiten wir im Handwerk haben", erzählt er. 2023 tritt er dann eine Ausbildung in der Kurt Atzinger GmbH in Parsberg als Kfz-Mechatroniker an. Und wann immer er im Arbeitsalltag Problemen oder Herausforderungen begegnet, kontaktiert er Nägler. Auch ihr ist die Kommunikation wichtig. "Ich spreche mit den jungen Menschen alle zwei bis drei Monate. Dann frage ich nach, wie es geht ob alles okay ist."
Viele Fragen und unklare Regelungen
Die Ausbildung von Abdullah verläuft positiv, in der Kurt Atzinger GmbH ist man mit dem Lehrling sehr zufrieden. "Er hat seine Interessen und vertritt diese. Außerdem ist er sehr selbstständig, deshalb funktioniert es gut", berichtet Geschäftsführer Jürgen Atzinger. Der 54-Jährige beschäftigt 20 Mitarbeitende und sechs Auszubildende in allen Lehrjahren. Ein großer Teil seiner Belegschaft hat keinen deutschen Pass beziehungsweise einen Flucht- oder Migrationshintergrund. Atzinger kennt die Herausforderungen, die mit der Beschäftigung von Geflüchteten einhergehen. Die Sprache sei dabei ein Kernthema, aber auch wie die Mitarbeitenden sich auf die deutsche Mentalität einstellen können. "Das ist ganz individuell und kommt häufig auch stark darauf an, wie stark die Integration Zuhause gefördert beziehungsweise im sozialen Umfeld gelebt wird." Ein weiterer ganz entscheidender Punkt sei der häufig ungeklärte Aufenthaltsstatus vieler junger Geflüchteter, der auch für Arbeitgeber viele Hürden birgt. "Es gibt nirgends eine klare Anweisung oder Regelung was der Geflüchtete darf und was nicht. Dürfen sie umziehen, dürfen sie arbeiten, was dürfen wir als Arbeitgeber? Man muss sich immer wieder erkundigen und damit werden auch den jungen Menschen viele Steine in den Weg gelegt. Für mich als Arbeitgeber ist das nur schwer nachzuvollziehen." Viele Fragen, keine klaren Regeln, das führe zu Unsicherheiten und sei auch ein Grund, wieso sich viele Betriebe gegen eine Anstellung Geflüchteter entscheiden, berichtet Olga Nägler. "Deswegen ist unsere Arbeit in der Ausbildungsakquise auch so wichtig."
Großes Unterstützungsangebot
Migration kann das Fachkräfteproblem nicht lösen, aber lindern. Da sind sich Atzinger und Nägler einig. "Wir haben hier in Deutschland viele junge Geflüchtete, die arbeiten und weiterkommen möchten und viele Betriebe die nach engagierten Auszubildenden suchen", so Nägler. Oft seien die rechtlichen Rahmenbedingungen bei einer Vermittlung kompliziert. "Gleichzeitig wissen viele nicht, welche Unterstützungsmöglichkeiten wir in Deutschland haben sowohl für die Betriebe als auch für die jungen Geflüchteten." Sprachkurse, assistierte Förderprogramme zur beruflichen Ausbildung, individuelle Beratungs- und Mentoring-Programme, Praktika und Einstiegsqualifizierungsmaßnahmen: das Angebot sei groß. "Wir verstehen uns in der Ausbildungsakquise nicht nur als Vermittler, sondern versuchen auch das große Angebot der Unterstützungen an die Betriebe und die Geflüchteten passgenau heranzutragen und bei Fragen und Unklarheiten ein verlässlicher Ansprechpartner zu sein." Davon profitiert auch Jürgen Atzinger, der sich bei Fragen rund um die Themen Asyl, Aufenthaltsstatus, Arbeitsgenehmigungen und mögliche Unterstützungsmaßnahmen an Olga Nägler wenden kann.
"Ich lerne Schritt für Schritt"
Eine Ausbildung leistet einen enormen Beitrag zur Integration. Mehr noch: "Die jungen Menschen haben so die Möglichkeit berufliche und persönliche Perspektiven zu entwickeln, ganz unabhängig von ihrer langfristigen Aufenthaltsplanung", meint Olga Nägler. Und das kann auch Jürgen Atzinger bestätigen. "Unsere Auszubildenden sind stolz, dass sie etwas geschafft haben aus eigener Kraft. Und das ist toll zu sehen." Abdullah ist mittlerweile im zweiten Lehrjahr. Die Ausbildung macht ihm Spaß, es "läuft", sagt der 23-Jährige. Auch in der Oberpfalz fühlt er sich wohl. "Mir gefällt es hier gut, es gibt hier nette Leute und viele Möglichkeiten zu lernen und zu arbeiten." Ein Problem ist sein Wohnort, denn vor zehn Monaten ist er mit seiner Familie ins zwanzig Kilometer entfernte Neumarkt gezogen. Deswegen macht Abdullah jetzt seinen Führerschein. Auch bei diesem Prozess hat Olga Nägler ihn unterstützt. Eine andere Herausforderung stellt für ihn nach wie vor die Sprache dar. Doch Abdullah ist zuversichtlich. "Ich lerne Schritt für Schritt und ich denke es ist nicht unmöglich."
Ansprechpartner
Ausbildungsakquisiteurin für junge Flüchtlinge für Niederbayern und Oberpfalz
Tel. 0941 7965-228
Fax 0941 7965-281228
Mehr Infos zum Thema
Menschen mit Fluchthintergrund im Handwerk
Deutsche Handwerks Zeitung
Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 27. September 2024.
Infos zum Projekt
- Seit 2016 ist die Ausbildungsakquise für junge Geflüchtete als Projekt bei der HWKNO angesiedelt.
- Das Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gefördert.
- Das Angebot richtet sich an Betriebe und junge Geflüchtete.