Pionierprojekt der HandwerkskammerBeim Bürokratieabbau die "Extrameile" gehen
Im SHK-Betrieb von Gerhard und Manuela Nemela in Landshut ist beim Thema Bürokratie das Maß voll. "Es ist für uns ein wahnsinnig umfangreicher Bereich", erzählt Manuela Nemela. Auch wenn das Unternehmen weitgehend digitalisiert ist, gehört die Bewältigung der Dokumentenflut zum Tagesgeschäft. Nicht nur hier in Landshut stapelt sich das Papier - wenn auch digital, die überbordende Bürokratie ist in jedem Handwerksbetrieb eine Dauerbelastung. Auch in der Interessenvertretung der Handwerkskammer ist der Bürokratieabbau eine zentrale Forderung, die in zahlreichen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene auf den Tisch kommt. "Wir nutzen alle Kanäle und Formate, um auf diese Belastung hinzuweisen", so Anna Müller, Assistentin der Geschäftsführung. Doch damit nicht genug: Im Februar hat die Handwerkskammer ein Pionierprojekt ins Leben gerufen. Ein Jahr lang sollen ausgewählte Handwerksbetriebe alle geforderten Berichtspflichten sammeln und der Handwerkskammer zur Auswertung zur Verfügung stellen. "Uns interessiert dabei, von wem die Aufforderungen kommen, Daten zu übermitteln oder bereitzuhalten, und außerdem, welche Daten konkret abgefragt werden", erzählt Müller. Mit den Ergebnissen der Auswertung möchte die Handwerkskammer im Anschluss an die Politik herantreten.
Kleinteilige und komplexe Prozesse
Hinter dem Projekt steckt ein zentraler Grundgedanke. Denn auch wenn Politikerinnen und Politikern bekannt ist, dass Bürokratie als solches ein Problem darstellt, machten sich viele keinerlei Vorstellung davon, was alles dahinterstecke, meint Anna Müller. "Mit dem Projekt möchten wir einen umfassenden Überblick schaffen und die Prozessketten durchleuchten." Personalwesen, Steuern, Energie, Umwelt, Produktion, Verkehr und vieles mehr: die Fülle an Berichtspflichten sei enorm, die einzelnen Prozesse kleinteilig und komplex. "Die Politik hat ein ganz anderes Bild von der betrieblichen Realität und ist schlicht zu wenig in dem Thema drin", so Müller. Gleichzeitig mache das Sammeln und Auswerten es möglich, genau herauszufinden wo Schwachstellen liegen und wie Prozesse optimiert werden können. "Es ist uns wichtig, im Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern beim Thema Bürokratie mehr als bloß Schlagwörter hin- und herzuwerfen. Wir möchten ganz deutlich sagen und zeigen können: das müssen Betriebe nach außen melden, hier liegen die Probleme und so könnte es vielleicht besser funktionieren."
"Politik tritt auf der Stelle"
Neben dem Landshuter SHK-Betrieb Gerhard Nemela beteiligen sich vier weitere Betriebe in Niederbayern und der Oberpfalz an dem Projekt. Für Manuela Nemela eine besondere Chance. Als Vorsitzende der Unternehmerfrauen Landshut weiß sie genau, wie schwer es sein kann, politischen Entscheidungsträgern deutlich zu machen, wie groß die bürokratische Belastung tatsächlich ist. "Bei dem Thema tritt die Politik auf der Stelle und wenn Bewegung reinkommt, dann geht’s eher rückwärts", so Nemela. Eigentlich müsse es anders sein, meint auch Bernhard Lainer, HWK-Betriebsberater. Denn beim Bürokratieabbau sei jetzt entschlossenes Handeln gefordert. "Wir erleben das im Gespräch mit Betrieben immer deutlicher. Es brennt an so vielen Stellen, die Betriebe müssen sehr viel Zeit und Energie aufwenden, eine Entlastung an dieser Stelle wäre äußerst wichtig." Neben dem Projekt hat die Handwerkskammer auch zwei Praxis-Checks mit dem Bayerischen Bürokratieabbau-Beauftragten Walter Nussel geplant. Im Fokus: bürokratische Hürden bei der Installation von PV-Anlagen und der Genehmigung von Schwertransporten. "Es ist richtig und wichtig Bürokratieabbau zu fordern, gleichzeitig ist das Thema unfassbar komplex und vielschichtig. Auch deswegen haben wir uns entschlossen beim Thema Bürokratie jetzt die Extrameile zu gehen", so Anna Müller.
Deutsche Handwerks Zeitung
Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 9. August 2024.
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